Kerncurriculum, Inhalt und Jahrgangsstufe - wie unterscheidet sich der Informatikunterricht in Deutschland?

04.03.22 14:32 | Pflichtfach Informatik Kerncurriculum, Inhalt und Jahrgangsstufe - wie unterscheidet sich der Informatikunterricht in Deutschland?

Informatikunterricht ist in jedem Bundesland anders gestaltet. Woran liegen die verschieden Strategien, was ist schon gut und was könnte besser sein?

Je nachdem, wo man sich in Deutschland befindet, sieht der Informatikunterricht anderes aus. Aber was ist der Zweck hinter den verschiedene Strategien? Heute erklären wir dir, wann genau Schüler*innen in welchen Bundesländern mit dem Informatikunterricht anfangen und was ihnen gelehrt wird, sofern es ein Kerncurriculum in dem jeweiligen Bundesland gibt. 

 

Wie sieht der Informatikunterricht in den einzelnen Bundesländern aus?

  • Baden-Württemberg

Seit dem in 2016 veröffentlichten Bildungsplan in Baden-Württemberg gibt es mit 35 Unterrichtsstunden in der 5. Klasse den “Basiskurs Medienkunde”, der eine einheitliche Voraussetzungen für eine spätere Medienbildung für alle Schüler*innen schaffen soll.1 Für die Klassenstufe 7 gibt es mit einer Stunde die Woche den verpflichtenden “Aufbaukurs Informatik” für alle Schülerinnen und Schüler an allen Schulen.2 Da lernen die Schüler*innen die Themen Algorithmen, Abläufe, Rechner, Netze, Datensicherheit und Informationelle Selbstbestimmung.3 

  • Bayern 

Seit dem Schuljahr 2004/05 wird in Bayern in der Mittel- und Realschule ab der 5. Klasse Informatikunterricht verpflichtend angeboten. 4 Am Gymnasium ist Informatik  in der 9. und 10. Klasse verpflichtend. Damit ist Bayern eines der wenigen Bundesländer, in der jede Schülerin und jeder Schüler in ihrer Schullaufbahn durch ein Pflichtfach Informatik vielfältig mit Informatik in Berührung kommt. Dass dies in Deutschland eine Ausnahme ist, wurde in unserem Blogartikel Informatik an deutschen Schulen - das Pflichtfach muss kommen bereits ausführlich beschrieben. 

  • Berlin

In Berlin erhalten Schüler*innen informatische Grundkenntnisse mit dem Wahlpflichtfach ITG (Informationstechnischer Grundkurs) in der 7. Klasse. In diesem Unterrichtsfach wird ihnen beispielsweise der Umgang mit Standardsoftware beigebracht. Mit dem Wahlpflichtfach Informatik in der 9. und 10. Klasse in allen Schularten können Schüler*innen außerdem mit Programmierung in Berührung kommen.

  • Brandenberg 

Der Informatikunterricht kann für die Klassen 7-10 als Wahlfach angeboten werden.  Laut des Informatik-Monitors findet Informatikunterricht in den Gesamt- und Oberschulen lediglich in einer Jahrgangsstufe eigenständig, integriert in das Fach "Wirtschaft-Arbeit-Technik" oder gar nicht statt. An Gymnasien gibt es sowohl für   die Klassenstufen 9 und 10 als auch in der Oberstufe die Möglichkeit, Informatik als Wahlpflichtunterricht anzubieten.

  • Bremen

Es findet weder an der Oberschule noch am Gymnasium Informatikunterricht statt. 5 Das heißt, die Schüler*innen in Bremen kommen in ihrer Schulzeit mit der Informatik nicht in Berührung, falls die Schule kein eigenes Angebot stellt. Es gibt lediglich eine Entwurfsfassung für einen fach- und stufenübergreifenden Bildungsplan Medienbildung, welcher allerdings auch keine Inhalte mit explizitem Informatikbezug nennt. 

  • Hamburg 

In der 5. und 6. Klasse erhalten Schülerinnen und Schüler Unterricht in Naturwissenschaften und Technik. Innerhalb dieses Unterrichts gibt es einen Teil, der sich auf Information, Daten und Informatik bezieht. Von der 7. bis zur 10. Klasse kann Informatik als Wahlpflichtfach angeboten werden

  • Hessen
    Das Kultusministerium Hessen hat nur für die Sekundarstufe II ein Kerncurriculum veröffentlicht und so kann Informatik als Wahlpflichtunterricht angeboten werden. Einige Schulen entwickeln für die Sekundarstufe I ein schuleigenes Curriculum, um Informatik auch in den unteren Klassenstufen als Wahlpflichtunterricht anbieten zu können. Aber ob Informatik überhaupt unterrichtet wird, liegt an der Schule selbst.
     
  • Mecklenburg-Vorpommern

„Informatik und Medienbildung“ wird seit 2019/20 schulartübergreifend für alle Schüler*innen in den Klassen 5-10 nicht nur angeboten, sondern ist mit einer Unterrichtsstunde in der Woche sogar verpflichtend. Auch in der Einführungsphase der gymnasialen Oberstufe ist Informatik Pflichtfach. Somit bekommen die Schüler*innen weit mehr als nur eine informatische Grundbildung und werden gut auf die digitale Welt von Morgen vorbereitet. Mecklenburg-Vorpommern ist damit das einzige Bundesland, das Informatik für alle Klassenstufen der Sekundarstufe I verpflichtend anbietet. 

  • Niedersachsen

Im Gymnasium kann ab der 8. Klasse bis zum Abitur Informatikunterricht als Wahlpflichtfach angeboten werden, in den anderen Schularten von der 6. bis zur 10. Klasse. “Ab dem Schuljahr 2023/24 wird schrittweise, beginnend mit einer Wochenstunde in Jahrgangsstufe 10, verbindlicher Informatikunterricht im Sekundarbereich I der allgemeinbildenden Schulen in Niedersachsen eingeführt.” 6 Dabei werden die vier Lernfelder „Daten und ihre Spuren“, „Computerkompetenz“, „Algorithmisches Problemlösen“ und „Automatisierte Prozesse“ angegangen. 

  • Nordrhein-Westfalen

Ab dem Schuljahr 2021/2022 ist der Informatikunterricht für alle Schüler*innen in der 5. und 6. Klassenstufe in NRW verpflichtend. Die Schülerinnen und Schüler erlernen Fähigkeiten wie kritische und verantwortungsbewusste Analyse, den Umgang mit Informatiksystemen und Modellierung. 

  • Rheinland-Pfalz

Informatikunterricht ist in den Klassen 7-10 und in der Oberstufe als Wahlpflichtfach verfügbar. In 21 Pilotschulen wird derzeit ein Informatiklehrplan für die 5. und 6. Klasse getestet. Ziel ist es, ab der 5. Klasse einen zusätzlichen Informatikunterricht anzubieten.
Das OER Material von inf-schule deckt das komplette Kerncurriculum von Rheinland-Pfalz ab. 

  • Saarland

In der 5. Klasse besteht die Möglichkeit, einen Informatikkurs mit dem Schwerpunkt Medienkompetenzen zu belegen, der jedoch nicht verpflichtend ist. Aktuell ist nur an Gymnasien mit Informatik- oder MINT-Zweig das Fach Informatik für die 7.-10. Klasse verpflichtend. Ab dem Schuljahr 2023/24 wird Informatik für alle Schüler*innen ab Klassenstufe 7 an Gemeinschaftsschulen und Gymnasien verpflichtend.

  • Sachsen 

Von der 7. bis zur 10. Klasse ist Informatikunterricht verpflichtend, in dem die Schüler*innen Informatik- und Medienbildung bekommen. In der 5. und 6. Klasse gibt es einen Lehrplan für das Fach Technik/Computer, das aber nicht verpflichtend ist. Für die 7. und 8. Klasse wird seit dem Schuljahr 2021/2022 langsam ein neuer Lehrplan eingeführt. 

  • Sachsen-Anhalt

Informatik ist in Sachsen-Anhalt kein Pflichtfach. Am Gymnasium kann Informatik in der 9. und 10. Klasse als Wahlpflichtfach angeboten und belegt werden. Außerdem können die Fächer Technik, Moderne Medienwelten und Informatik an der Gesamtschule als Wahlpflichtfach angeboten werden.

  • Schleswig-Holstein

Ähnlich wie in Rheinland-Pfalz wird der Informatikunterricht als Wahlpflichtfach in den Klassen 7-10 angeboten. Zusätzlich kann der Informatikunterricht ab dem Schuljahr 2021/22 auch in der 5. und 6. Klasse in den Lehrplan integriert werden. Zum kommenden Schuljahr 2022/23 soll Informatik als Pflichtfach in den Klassenstufen 7 und 8 angeboten werden.

  • Thüringen 

Auch in Thüringen gibt es Informatik bisher nur als Wahlpflichtfach in den Klassenstufen  7-10. Scheinbar sind auch keine nennenswerten Änderungen in Sicht.

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   Quelle: Informatik-Monitor, Gesellschaft für Informatik

 

Wie gut ist der Informatikunterricht in Deutschland?

Die bisherigen Erkenntnisse dieses Blogbeitrags zeigen, dass Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, und Nordrhein-Westfalen am frühesten in der 5. Klasse mit einem Pflichtfach Informatikunterricht anfangen und Berlin, Brandenburg, Schleswig-Holstein, und Thüringen am spätesten mit einem Wahlpflicht Informatikunterricht ab der 7. Klasse. Niedersachsen wird sogar erst mit der 10. Klassenstufe beginnen. Aber was ist für die Schüler*innen, deren Zukunft, und deren Bildung am effektivsten? Laut unserem letzten Blogbeitrag Informatik ist mehr als Programmieren wissen wir, dass das Fach Informatik aus Themen wie Medienkompetenz, Algorithmen, Analytisches und logisches Denken besteht und nicht nur Programmieren beinhaltet. Jetzt wissen wir, dass viele Kerncurricula in Deutschland den Schülerinnen und Schülern genau den Lehrplan bietet, den sie für eine solide, gut abgerundete IT-Gesamtausbildung benötigen - darauf können wir stolz sein!

Aber reicht das auch?

 

Die Vor- und Nachteile in den einzelnen Bundesländern

Es ist auf jeden Fall von Vorteil, dass Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, und Nordrhein-Westfalen in der 5. Klasse mit Informatikunterricht anfangen. Dadurch werden die Schüler*innen umfangreich auf die heutige digitale Lebens- und Arbeitswelt vorbereitet und beherrschen bestenfalls nach dem Schulabschluss wichtige informatische Grundkenntnisse. Darüber hinaus schult ein früher Informatikunterricht den analytischen Verstand von Schülern und Schülerinnen, was ihnen ebenfalls Erfolg in anderen Fächern bereiten kann. Analytisches Denken, Medienkompetenz und Computerfunktionen sind Fähigkeiten, die für die zukünftige Karriere unserer Schülerinnen und Schüler von großem Vorteil sind.

Andere Bundesländer, wie z.B. Niedersachsen, bieten Informatik erst in höheren Klassenstufen oder sogar erst in der gymnasialen Oberstufe verpflichtend an. Damit ist die informatische Grundbildung bei Studien- und Ausbildungsanfängern schon frühzeitig besser. Für ein umfassendes Bildungsangebot bietet sich jedoch ein frühzeitiger Einstieg in das Fach an.

In Berlin, Brandenburg, und Schleswig-Holstein beginnt der Informatikunterricht in der 7. Klasse; was allerdings nur als Wahlpflicht angeboten wird. Das heißt, dass manche Schüler*innen keinen Informatikunterricht haben werden, wenn sie das Fach nicht wählen. Informatikunterricht ist extrem wichtig für die Zukunft und die Bildung von Schüler*innen. Deswegen sind die Schüler*innen, die eine informatische Bildung genießen, im klaren Vorteil. 

Wie wir in unserem Blogbeitrag erläutert haben, sollte Informatik in ganz Deutschland als Pflichtfach eingeführt werden, damit die Schüler*innen mit der Digitalisierung Schritt halten können, besser für die zukünftigen Berufsfelder ausgebildet werden und Informatik bezogene Fähigkeiten haben. 

 

Quellen 

  1.  https://rp.baden-wuerttemberg.de/rps/abt7/ref75/fachberater/seiten/informatik/
  2.  https://pidi.informatik.uni-rostock.de/storages/uni-rostock/Alle_IEF/Inf_PI/files/2020-11-04_Synopse_Laenderbeschreibungen.pdf
  3. https://rp.baden-wuerttemberg.de/rps/abt7/ref75/fachberater/seiten/informatik/
  4.  https://www.ddi.tf.fau.de/lehre/lehramtsstudium/studieninteressierte/schulfach-informatik-in-bayern/
  5. https://pidi.informatik.uni-rostock.de/storages/uni-rostock/Alle_IEF/Inf_PI/files/2020-11-04_Synopse_Laenderbeschreibungen.pdf
  6. https://pidi.informatik.uni-rostock.de/storages/uni-rostock/Alle_IEF/Inf_PI/files/2020-11-04_Synopse_Laenderbeschreibungen.pdf

 

Tina Angok

Written By: Tina Angok

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